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Aphorismen und Zitate aus Gesprächen mit Martin Scherber

Diese Aufzeichnungen geben sinngemäß  Gedanken aus Gesprächen mit Martin Scherber wieder. Sie sind darum - weil sie authentisch, aber nicht durchgängig wörtlich aufgezeichnet wurden - in einfache 'Anführungszeichen' gesetzt.

 

Falls schriftliche Zitate vorliegen, werden sie mit den üblichen "Anführungsstrichen" versehen. Einige wenige Äußerungen* sind zusammenfassend bearbeitet.

 

Die Jahreszahlen zeigen an, wann der entsprechende Gedanke aus den Gesprächen, die in der Regel während der Musikstunden und in den Kursen, welche über Künstlerische, Wissenschaftliche, soziale und religiöse Fragen stattfanden, von den Teilnehmern oder Teilnehmerinnen notiert wurde. Sie bilden anhand der notierten Daten kein Zeitgerüst für Scherbers gelebte Entwicklung, bestenfalls geben sie Hinweise, daß er sich mit einem Problem befaßt hatte und auf diesen oder jenen Gesichtspunkt aufmerksam machen wollte. Die Aufnahme oder Ablehnung stand in der Freiheit des Gesprächspartners.

 

Manches Ausgesprochene erscheint unmittelbar widersinnig, vielleicht sogar provokant, oder auch erst einmal phantastisch, wenn man damit die vielfältigen, bestimmten Lebensweisen, Konventionen und  Lehrinhalte der heutigen Zeit  in Beziehung setzt. Doch eventuelle Paradoxien oder Rätselhaftigkeiten und sich oft schnell ergebende Gegenpositionen könnten sich auflösen, oder ihre berechtigten Gesichtspunkte wahren, wenn sie in den entsprechenden Lebenszusammenhängen aufgesucht würden.

 

Die Aphorismen erlauben auch eine andere Anordnung, da mannigfache inhaltliche Bezüge vorhanden  sind. Weder Scherber noch den Notierern ging es um das Aussprechen irgendwelcher alter und neuer Dogmen oder das Fixieren irgendwelcher Phantasmen, sondern um die Anregung,  im möglichst unbefangenen Erfahren der Sache auf den Grund zugehen. 

 

Erkenntnispraxis

 

'Wir haben zunächst alles in der Welt als Erscheinung  -  sogar uns selbst. Der Mensch weiß nur nicht, wie wahr das ist.' (1956)

 

'Im ersten Lebensdrittel bildet der Mensch seinen Körper heran. Er lernt die Körperbeherrschung.

Im zweiten Drittel sollte er die Seelenbeherrschung erreichen;

im letzten Drittel die Beherrschung des Denkens.' (1956)

 

'Die meisten Menschen können heute ihr Denken nicht beherrschen.'

 

'Wo ist man? - Dort, wo das Bewußtsein hinkommt!'

 

"Wenn das Denken nicht die Realität findet, findet der Mensch nicht zu sich."

 

'Die Realität finden heißt eben die Kraft aufbringen, die draußen den Apfel bildet, heißt die Bindung an den Leib aufheben und die entwickelte Ichtätigkeit entfalten, die dann zur 'Schlüsselkraft' wird.' (1967)

 

'Die Welt ist uns zweifach verschlossen. Wir sehen die Welt, wie sie uns gegenübertritt als vollendet an: Das wahre Wesen der Welt findest du in der Außenwelt, nicht in dir - Primat der Sinneserfahrung. Zum anderen meinen wir, die Welt und das Universum müßten in unser Vorstellungsleben eingehen: Das wahre Wesen der Welt findest du in dir. Die Außenwelt ist ohne Belang - Primat der Vorstellungswelt. 

Diese Einseitigkeiten müssen überwunden werden. Zuerst alles in der Außenwelt aufsuchen, sich selbst zurückstellen. Anschließend zur Eigentätigkeit vordringen. Bemerken, dass alles von der Eigeninitiative abhängt.'* 

 

'Gegenständliches Denken ist identisch mit antipathischem Denken. Man bleibt mit seinem Bewußtsein außerhalb des zu betrachtenden Objektes. Abstraktes Denken kann im Hinblick auf das Weltobjekt dasselbe bedeuten. Beim imaginativen Erleben kommt man einen Schritt weiter in die Sache hinein - z. B. bei einer Farbe.'

 

'Was ist "objektiv"? Was dem Menschen als sogenanntes 'Gegebenes' entgegentritt.

Was ist "subjektiv"? Das Gegenteil; nur, was der Mensch absolut selber hervorbringt.

Es gehört eine besondere Schulung dazu, diese Gegensätze im Leben zu unterscheiden. Da kann man nicht exakt genug sein.

Es gibt noch ein Drittes: Durch individuelle Tätigkeit kommt ein in sich begründeter Weltinhalt zur Erscheinung. Beispiel: Bei der photographischen Entwicklung bewegt man das chemische Bad etwas, indem das zu entwickelnde Bild langsam zum Vorschein kommt.  ... Vergleiche mit dem Denken: Wie lasse ich den Gedanken entstehen? Ich mache ihn - wie weit? - und er macht sich!' (1956)

 

'Wie geht man vor, wenn ein Begriff gebildet werden soll? Es ist wie ein Sammeln von Bausteinen, aus denen zuletzt etwas entsteht. So ergibt sich im Denken zuletzt etwas Wesentliches. Wie aus Tönen eine Melodie, so bildet sich aus einzelnen Elementen der Begriff.' (1956)

 

'Standpunkt des Nutznießers: Wozu dienen mir die Dinge?

Standpunkt des Wißbegierigen: Wie ist das beschaffen?

Standpunkt des Schöpfers: willentlich-einfühlend-bewußtseinsmächtig mitgestalten - weiterbilden...-' (1956)

 

'Durch das Auge werden keine Formen wahrgenommen. Die Form ist nur von einem geistigen Wesen zu erfassen.' (1956)

 

'Der Künstler geht aus vom Geist - Gefahr der Eigenwilligkeiten. Zur Verwirklichung kommt der Künstler durch Wissenschaft. Der Wissenschaftler geht von der Sinnesanschauung aus - Gefahr der Selbstvergessenheit. Die exakte Phantasie stößt zum schöpferischen Geist vor. Das ist eine wissenschaftlich-künstlerische Betätigung.'*  

 

'Die Dinge der Welt müssen dem Menschen zu einem erlebniskräftigen Bild werden können.' (1956)

 

'Im reinen Denken fühlt man sich nicht mehr punktuell an den Leib gebunden. Dieses Denken wird normalerweise durch nicht erwünschte Gefühle und Triebe verhindert.' (1955)

 

'Sinnlichkeitsfreies Denken ist ein Denken in Kraftströmen. Man denke und forme innerlich eine Kugel, was keineswegs einfach ist, wenn man es genau nimmt. Wenn die Kugel innerlich sicher gebildet wird, überwindet man das Nachflackern von Remineszensen der Außenwelt. Man wird frei vom Leib. Auf die möglichst große Eigenkraft kommt es an.' (1969)

 

'Stufen der erlebenden Erkenntnis: 

               1. Erkenntnis der Formwirklichkeit  

               2. Erkenntnis der Farbwirklichkeit  

               3. Erkenntnis der Materiewirklichkeit  

An die Materie kommt man nur heran, wenn man über das Innerste des

Menschen geht.' (1956)

 

'Das Denken wird auf einer bestimmten Entwicklungsstufe zu einem Organismus.' (1956)

 

'Das Denken lockern, es zu einem Organismus werden lassen. Dazu muß man zweierlei lernen:

        1. völlige Beherrschung des Denkens  

        2. es wie von außen beobachten können.'  (1959)

 

'Was für den Embryo die Gebärmutter darstellt, ist für den Mensch-Werdenden der Kosmos.' 

 

'Es ist ein Unsinn, von einer 'reinen Logik' zu sprechen. Logik gibt es immer verbunden mit bestimmten Bereichen des Daseins. Man versuche nicht, die Logik von den Dingen zu lösen.' (1959)

 

'Beim selbstlosen Denken wird das Denken selbst Wahrnehmungsorgan.' 

 

'Ein 'Nichts' gibt es nicht. Wenn ich davon wüßte, wäre es kein 'Nichts' mehr. Faust: In deinem 'Nichts' hoffe ich das All zu finden.'

 

'Sokrates wollte seine Gesprächsteilnehmer dahin bringen, daß nicht irgend etwas in ihnen denkt, sie getrieben werden, sondern, daß sie die Dinge rein sehen, um dann einzutauchen in die wirkliche Welt.'

 

'Gesunder Menschenverstand ist dasselbe wie freie Urteilstätigkeit. Man darf nicht so ohne weiteres annehmen, gesunden Menschenverstand zu haben' (1969)

 

'Das Üben im Freiwerden vom Leib geschieht im Denken. Es ist damit gleichzeitig eine moralische Aufgabe.' (1968)

 

'Dem Menschen ist kein Begriff eingegeben, sonst wäre er unfrei.'

 

'Das abstrakte Denken hat insofern seine Bedeutung, als es dem Menschen die völlige Freiheit von Fremdeinflüssen gewährt. In dem die Realität keinen Zugang in dieses Denken findet, kann der Mensch alles denken, alles behaupten, alles für richtig ausgeben.'

 

'Wissenschaft ist ein Ergebnis der Betrachtung durch den Menschen nach Maßgabe seiner Fähigkeiten.'

 

'Bestimmte Ideen sind deshalb nicht subjektiv, weil in ihnen dieselbe Kraft wirkt, die draußen in der Natur schafft. Die 'exakte Phantasie' (Goethe) ergreift das Werden. Gewöhnlich tragen wir immer nur Momentaufnahmen von Tieren und Pflanzen, von Dreiecken usf. mit uns herum, sehen das Tier, die Pflanze, das alle Dreiecke Innenwohnende nicht. Raumesdenken wird zum Denken in der Zeit.'

 

'Man muß zwischen dem aktiven und dem passiven Denken unterscheiden. Hinter dem aktiven Denken liegt die Musik.'

 

'Das Wort 'Philosophie' sollte man nicht mit 'Liebe zur Wahrheit', sondern mit 'Liebe und Wahrheit'   übersetzen.' (1956)

 

'Freiheit und Realität sind indirekt proportional. Im Denken am freiesten, im Willen am unfreiesten. Ärger, Zorn, Leidenschaften, Strebungen und Wünsche sind realitätsgeladen. Das Fühlen nimmt eine Mittelstellung ein.' (1970)

 

'Objektivität ohne Anwesenheit des Subjektes ist nicht möglich. Ein Neues entsteht, wenn beide zusammentreffen - vergleiche negative und positive Elektrizität oder Mann und Frau.'

 

'Keuschheit auch bei der Urteilsbildung. Unkeusch ist es, wenn der Mensch bei einer Beobachtung sofort mit einer gedanklichen Auslegung kommt.' (1959)

 

'Die Wahrheit wird in Zukunft allein heilen.' (1965)

 

 

Lebenspraxis

 

'Im alltäglichen Leben zu feinen begrifflichen Unterscheidungen kommen.' (1959)

 

'Der Mensch sollte sich nicht abstumpfen und beispielsweise gar keinen Ärger mehr empfinden, sondern ihn beherrschen lernen.' (1959)

 

"Heute will eben der Mensch von den Dingen, Werken usw. immer gepackt werden; er begreift so schwer, dass er die Dinge, Werke packen soll.

Er, der Mensch möchte heute geliebt sein. Der Liebhaber ist aber erst der Wertvolle, Bessere." (Brief vom 21.6.1957 an Lilo Hammann-Rauno)

 

'Aufgabe unserer Zeit und Zukunft: Nicht nur ein Bewußtsein von den Gegenständen, sondern von der eigenen Tätigkeit anstreben.'

 

'Überall, wo der Mensch etwas tut und die Liebe fehlt dabei, ist sein Ich nicht anwesend.' (1972)

 

'Leid fügt nicht der andere mir zu. Die eigenen Anlagen verursachen Leid.'

 

'Das Hauptproblem des gegenwärtigen Zeitalters liegt in der Intensivierung der Anstrengungen von sich loszukommen - alles in sich, sich in allem zu finden. Dadurch würde auch der Ausgleich zwischen Autorität und Egoität herbeigeführt.'

 

„Jeder Mensch ist ein Individuum – eine Einmaligkeit bis in die Topographie, bis in die feinste Organzusammensetzung hinein, der gegenüber mit einer allgemeinen ‚Diätetik’ doch nur herumdilettiert werden kann.“   

(11.4.1973 Brief an Dr. Brechmann, einem der behandelnden Ärzte im Krankenhaus Nürnberg/Flurstraße nach dem Unfall 1970)

 

'Ruhe ist freiwerdender Wille'

 

'Wirklich musizieren ist eine soziale Tat. Indem ich jeder Note den ihr zukommenden Wert gebe, bin ich absolut gerecht.'

 

'Jeglicher Profit durch die Verleihung von Geld ist abzulehnen. An irgendeiner Stelle wird irgend jemand dadurch Geld entzogen.'

 

'Die täglichen Übungen sind so wichtig wie das tägliche Brot.' (1972)

 

'Wir leben, um zu lernen.' (1972)

 

'Erholen im ursprünglichen Sinn bedeutet, Einzeldinge wieder zu einer Einheit zusammenfügen.'

 

"...Ja, dieses Allein-gelassen-Werden in Momenten, wo unser Innerstes im Spiel ist, das schmerzt besonders - stärkt aber auch besonders - das bewirkt etwas wie ein inneres Knochengerüst!" (Brief vom 6.3.1967 an Lilo Hammann-Rauno)

 

'Offenbarungen werden nur geschenkt, wenn unsere Seele wie ein ruhiger Wasserspiegel ist. Je stiller der See, desto deutlicher spiegeln sich darin die Sterne...'

 

Kunst und Musik

 

"Kunst muß bis zu jenem Grade notwendig und vertieft werden, daß alles Dasein und Schaffen Freiheit und Menschenliebe – die kommende Zeit – atmet." (1972) 

 

'Der Seher sieht keine Farben, ebensowenig, wie der Komponist Töne hört oder man die Sphärenmusik im gewöhnlichen Sinne hören kann. Man erlebt geistig etwas und setzt das dann in Bilder und Töne um.'

 

'Wann handelt es sich um ein echtes Kunstwerk? - Wenn es Ruhe, Friede, Heilung bringt!' (1954)

 

'Ein echtes Kunstwerk lenkt den Blick auf das Hintergründige. Die Anziehungskräfte des Sinnlichen kommen nicht zur Entfaltung - griechische Statuen und Nacktheit - Hunger und Festmahl.'

 

„Ein wahres Kunstwerk ist eben, was in einer hintergründigen Welt erlebt wird und dann eingekleidet wird in Gleichnisse, in Sinnbilder. [...] So einer ‚Verfestigung’, 'Verdichtung’ gegenüber muß dann etwas walten, was entdichten kann – das kann selbstverständlich nur Wärme beziehungsweise nur wahre Liebe sein!“  (Weihnachten 1973 an Ludwig Hölzel?)

 

'Durch die Musik gelangt man bis in die tiefsten Tiefen. Je tiefer man kommt, desto höher steigt man. Das ist ein und dasselbe.' (1954)

 

'Die Täuschung in der Kunst dient dem edlen Zweck der Erhöhung des Daseinswertes des Menschen. Der Zweck heiligt hierbei die Mittel.'

 

'Kunst sollte Wegweisung zum Ewigen sein.'

 

'Das Leben ist das größte Kunstwerk. Künstler stellen immer nur Bruchstücke dar, helfen damit der Erkenntnis von Leben und Mensch.' (1962)

 

'Erst wenn der Trauernde ein Scherzo spielen kann, entsteht Kunst. Alles andere ist Selbstgenuß.'

 

'Die Phantasie ist ein Organ zum Erleben des Geistigen in der Welt.' (1963)

 

"Der Weg zur Unsterblichkeit geht durch oder über die Kunst" (Brief vom 4.2.1969 an Fred Thürmer)

 

'Die Musik soll alles befruchten, in ihr sind die Weltgeschehnisse wohl auf kürzeste Art zusammengefaßt.' (1964)

 

'Die Begleiter in der Musik sind oft die geistigsten Menschen, die am besten hinhören und mitfühlen können.' (1963)

 

'Man muß den Tönen innerlich 'auf den Leib rücken'. Sie erweisen sich dann als wesenhaft.' (1967)

 

'Der einzelne Ton kann als ganze Symphonie erlebt werden. Das Erleben dabei kann aber nur als Tongebilde einer Symphonie vermittelt werden.' (1967)

 

'Beim Musizieren muß das Instrument vom Spielenden Seele und Geist bekommen.' (1969)

 

'Nicht die Seele liebt Musik. Die Seele ist Musik. Alles Unmusikalische zerstört die Seele.'

 

Über neuere Musik

"In der neueren Musik lebt die Tendenz, das Eigene des Tones zu überwinden, das Ich, den eigenen Willen an dessen Stelle zu setzen. Das Gefühl (Gewissen) wird ausgeschaltet." (1962)

 

"Die Harmonien und Akkorde, die heute in der sogenannten modernen Musik auftreten, sind selten erlebbar." (1955)

 

"Wenn Hindemith die von ihm komponierten Harmonien erleben könnte oder müßte, so würde es ihn zumeist zerreißen." (1954)

 

"Ich gehe lange mit einem Klang um und versuche ihn zu erleben." (1955)

 

Wer wahrhaft im Tiefsten erleben kann, wird nie das Experimentieren der Atonalen mit machen." (1971)

 

"Ach, da darf man gar nicht daran denken, was in der heutigen Zivilisation - Kultur kann dieser 'Leichnam' ja gar nicht mehr genannt werden - für Krankheitsursachen verborgen wirken! Man braucht da nur an die sogenannte 'moderne Kunst' zu denken. Wie viele Musiker kenne ich schon, die total 'fertig' sind. Vor allem die Jazz- oder atonale Musik ist besonders krankmachend. Ob Dir der allbekannte Karlheinz Stockhausen ein Begriff ist? Mit dem hatte ich einen Briefwechsel. Ein durch moderne Musik total unbrauchbar - verrückt - gewordener." (1972)

 

"Das technische Rüstzeug ist gar schnell erlernt, vor allem, wenn man atonal schreiben will. ... Diesen heutigen Weg über die Erkenntnisgrenzen hinweg zu gehen das erfordert die langanhaltende Übung und Entsagung, die nicht leicht heute einer auf sich nehmen will." (1967)

 

"Wer wahrhaft Musik erleben kann, der wird sich nie auf dem Gebiet der Atonalität versuchen, er wird eindringen in das, was man Lebensbereiche nennt, und wird da walten finden das Prinzip der Metamorphose." (1971, Brief an Wilhelm Kempff)

 

 "Die Atonalität ist der verzweifelte und unmögliche Versuch, mit den gegebenen heutigen Seelenfähigkeiten erlebend an die Weltharmonien heranzukommen; dazu sind neue, die Erkenntnisgrenzen erweiternde Erlebnisse erforderlich." (1971 an Friedrich Gulda)

 

 

Vom organischen Stil und der musikalischen Metamorphose

 

'Goethes Wort: Jedes Ding wohl beschaut, schließt ein neues Organ in uns auf... gilt auch für die Musik. Jeder große Komponist schließt ein neues Organ in uns auf. Schumann repräsentiert eine ganz andere Welt als Grieg. Jedes Organ entsteht dadurch, daß in der Welt eine bestimmte Wirksamkeit vorhanden ist. Wenn diese Wirksamkeit ausgeschlossen wird, kann sich im Menschen auch nicht das entsprechende Organ heranbilden.' (1956)

 

'Heute schaut man die Pflanzen von außen an, die Staubgefäße, die Blütenblätter werden gezählt, Nutzen und Vorkommen besprochen usw. Das ist im Hinblick auf das Wesentliche alles Theorie. Lerne die Pflanze mit dem Willen nachzubilden, ihre Besonderheiten einfühlend mitzugestalten und du triffst auf - Musikalisches.' (1954)

 

"Der Geist erwacht uns erst, wenn das Geheimnis der Metamorphose entdeckt wird - denn das ist der Geist geradezu selbst!" (Brief vom 3.1.1967 an Fred Thürmer)

 

'Die Sinneswahrnehmung stellt sich unserem Erleben zunächst als etwas Fertiges hin. Der Geist sucht danach, das Prozessuale zu finden, das z. B. einer Farbe zugrunde liegt. Dazu ist notwendig, daß man seine Vorstellungen durch eigene Aktivität so belebt, daß nach und nach Realität in die Vorstellung eintreten kann. So findet das im Intellekt erstorbene Denken das Leben wieder. Durch die Hingabe des aktiven Denkens an die Welt wird alles tätig, als Werdendes erlebt.' (1968)

 

'Warum organischer Stil? - Aus dem Erleben der geistigen Welt heraus, wo alles zusammenhängt.' (1957)

 

'Bach kontrapunktiert. Beethoven sucht die Metamorphose. Er war schon nahe dran. Die Metamorphose steht vor der Tür. Bruckner - die Metamorphose bricht herein. Er kann sich aber nicht von den alten Formen lösen. Die alten Formen wirken noch zu gewaltig auf ihn ein.' (1970)

 

'Ein Kunstwerk kann man nicht planen. Es wächst.' (1967)

 

'Im Organischen metamorphosieren alle Dinge. Organisch, das heißt aus den Lebensgesetzen heraus. Einen Keim in lebendigen Boden (= Seele) bringen und er wächst = metamorphosiert. Gegensatz: Komponieren = Zusammensetzen.'  (1970)

 

'Durch Mitleiden in die Metamorphosen eindringen. Das ist etwas anderes als das Warten auf Einfälle.' (1969)

 

'Durch Hingabe der aktiven Innentätigkeit an die Welt, kann man sich in alles hineinmetamorphosieren.' (1967)

 

'Wirklich kann von der Welt nichts verstanden werden, wenn man die

Metamorphose nicht erleben kann.' (1970)

 

"Mehr und mehr wird sich als ganz neues Prinzip in der Kunst durchsetzen das Metamorphosieren der Motive. Wer der Natur gegenüber künstlerisch erleben kann, entdeckt ja, daß sie in allen ihren Schöpfungen metamorphosiert, z. B. Eichhörnchen - ein Motiv, das in der Katze, im Löwen auftritt. Auf diese Art würde Kunst die Wissenschaft ergänzen, vertiefen." (Brief vom 26.7.1972 an Alfred Brendel) 

 

"Zugleich ist die Metamorphose - vor allem, wenn sie auf das menschliche Bewußtsein angewendet wird - die exakte und sichere Möglichkeit, die Erkenntnisgrenzen zu überwinden und damit das Ewige, Unvergängliche, Göttliche in den Erlebnisbereich zu bekommen." (Brief vom 3.6.1971 an Wilhelm Kempff)

 

"Bisher gingen die Anregungen der Musik doch immer aufs Seelische. Das Seelische ist vielfältig, das Ich das Einheitliche. Ich versuchte sozusagen in 'tiefe Schächte' hinabzusteigen. Dort unten finde ich keine Atonalität, keine Zwölftonmusik im heutigen Sinne. Deshalb ist die Sprache meiner Musik auch nicht 'modern'. Sie versucht von Bruckner weiterzugehen. Das Prinzip der Zwölftonmusik und der Reihentechnik waltet organisch-kosmisch ...,  aber auf den ganzen Menschen bezogen als Zeitimpuls auch in meiner Musik." (1952)

 

'Mit dem Erleben der Metamorphose ist man in die Schliche der Natur eingeführt.' (1970)

 

 

Religion

 
'Im Gebet ruhig die einzelnen Wörter zum Leben erwecken: Gebet - Beet - einbeeten - säen.'
 
"Nur durch Moralität findet man wirkliche Qualität." (Brief an Fred Thürmer vom 8.10.1953)
 
"Wer nicht die Wege Gottes kennt, kann nicht wissen, was gut ist." (Brief an Fred Thürmer vom 6.4.1951)
 
'Von Materie an Stelle von Sinneswelt zu sprechen - damit ist schon Gott geleugnet.'
 
'Das Böse ignoriert die Einheit. Der Finger ist Teil der Hand, nicht Teil für sich.'
 
'Leib und Seele bilden beim Menschen der Gegenwart ein Konglomerat. Darin liegt die Erbsünde - im Bild: der Kentaur. Unsere Aufgabe besteht darin, beide zu trennen - Katharsis, Freiheit. Beide für sich sind erst rein - Seelenorgane entstehen. Die Trennung erfolgt durch Kunst und Wissenschaft.'
 
'Gott lebt in allen Dingen. Einen seiner Schöpfung zuschauenden Gott gibt es nicht. Christus sagt auch: Der Höchste ist derjenige, der am meisten dient.'
 
'Den ‘Heiligen Geist’ finden, bedeutet das reine Denken zu entwickeln, das seinem Wesen nach universell, nicht individuell-egoistisch ist.'
 

'Je mehr deine Liebe dem Geschöpf sich neigt und nicht dem Schöpfer, desto größer wird dein Leid im Leben sein.'

 

'Der eingeborene Sohn ist nicht durch Vater und Mutter in die Welt gekommen.'
 
'Die größte Sünde begehen wir, wenn wir nicht erkennen. Die Auferstehung des Gottes in uns, die Gotterlösung in uns geschieht durch Erkenntnis - Nichterkenntnis kreuzigt Gott in uns.'
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