- Hier werden einige Hinweise über das Werk Martin Scherbers, sowie schriftliche Äußerungen von ihm selbst erscheinen. Allerdings liegt hier nicht allzu viel Material vor, doch gibt es einige Texte, Märchen, Korrespondenzen etc.. Sie werfen Licht auf seine Anschauungen und Lebensweise.
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Dokumentationen
Übersicht
0. biographische Notizen zum Lebenslauf von Martin Scherber
00. Martin Scherber - Persönlich-Unpersönliches (Friedwart M. Kurras), 2001
1. Von Urquellen aller echten Kunst (Martin Scherber), 1972
2. Zur Dritten Symphonie von Martin Scherber (Henning Kunze), 2001
3. Die Autorenformel 'durch' (Friedwart M. Kurras)
4. Die Metamorphose als Wesenselement der Musik (Henning Kunze), 1990
- mit Hinweisen auf Scherbers 2. Sinfonie in f-Moll
5. Warum heute wieder Märchen? (Martin Scherber), 1972
6. Ein Märchen? - Plastiker - Tod - Weihnachten (Martin Scherber), 1962
6. Der Tod als Freund (Martin Scherber)
7. Weihnachten - ein Märchen? (Martin Scherber)
8. aus Tagebuchblättern -
Fühle, wie weben...
Johannesapokalypse
Historische Aufnahmen aus dem Musikzimmer des Komponisten
9. Das 'ABC-Stücke für Klavier' - Ein Zyklus mit 31 kleinen Kompositionen.
Versuch einige Qualitäten der deutschen Sprachlaute einzufangen.
Interpret: Martin Scherber (demnächst)
10. Die I. Symphonie in d-Moll durch Martin Scherber (1938) - Klavierauszug zu 4 Händen
Interpreten: Martin Scherber, Willi Held
11. Die II. Symphonie in f-Moll durch Martin Scherber (1951-52) - Klavierauszug zu 4 Händen
Interpreten: Martin Scherber, Willi Held
12. Die III. Symphonie in h-Moll durch Martin Scherber (192-55) - Klavierauszug zu 4 Händen
Interpreten: Martin Scherber, Willi Held.
Einige allgemeine Äußerungen des Komponisten zur Musik,
zu seinen Sinfonien und dem 'ABC' speziell
13. Scherber über Musik (Zitate)
14. Briefstellen Martin Scherber zur ersten
15. Briefstellen Martin Scherber zur zweiten
16. Briefstellen Martin Scherber zur dritten
17. Briefstellen Martin Scherber zum 'ABC' demnächst
Bericht über die Unfallfolgen 1971 - Auszug
18. Schmerzensbericht - für das Landesgericht Nürnberg-Fürth
Zum Unfall am 30. Mai 1970 in der Welserstrasse, Nürnberg-Schoppershof - von Hildegard Scherber-Tidecks
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Biographische Variationen
Biographische Notiz zum Lebenslauf von Martin Scherber
Martin Scherber wurde am 16. Januar 1907 in Nürnberg geboren, besuchte die Volks- und Oberrealschule, studierte an der Akademie für Tonkunst in München
(1925-28) und war anschließend als Korrepetitor, Opernkapellmeister und Chordirektor in Aussig an der Elbe - heute Tschechien - tätig (1929-33).
Danach machte er sich selbständig, leitete Chöre, Ensembles und wirkte, von
1940-46 durch Kriegsdienst und Gefangenschaft unterbrochen, als Privatmusiklehrer und freischaffender Komponist in Nürnberg. Hier entstanden die meisten seiner Werke: Kammermusiken und Chöre a capella oder mit Begleitung, Lieder und Liedzyklen, der Zyklus 'ABC-Stücke für Klavier' (ca. 1935-65) - ein Versuch, die deutschen Sprachlaute 'musikalisch einzufangen', seine Klavierbearbeitungen der Bruckner-Symphonien (3.-9. Symphonie, 1948-50) und die großen Metamorphosensymphonien in den Jahren 1951-55. Auch von ihnen gibt es Klavierauszüge; in diesen Fällen für zwei Klaviere.
Über Jahrzehnte hinweg leitete er Kurse und Arbeitskreise zu erkenntnistheoretischen, künstlerischen und sozialen Themen. Er war ein sensibler, humorvoller, sehr aufmerksamer Gesprächspartner, denn er hatte die seltene Fähigkeit entwickelt, in den Fragen, Problemen und Idealen seiner Gesprächspartner zu leben. Daraus erwuchsen die Anregungen, die er hier und da geben konnte.
Ein schwerer Unfall setzte diesen Tätigkeiten im Mai 1970 ein Ende. Ein volltrunkener Autofahrer überfuhr Scherber auf einem Spaziergang. Nach schwierigen Operationen und einer achtmonatigen Krankenhauszeit blieb er jahrelang, wegen verbliebener Lähmungen, an den Rollstuhl gefesselt, konnte kaum selbständig gehen und wegen verkrampfter linker Hand (Unfallschock) musikalisch nicht mehr praktizieren und kompositorisch nichts mehr notieren .
Er starb am 10. Januar 1974 in seiner Heimatstadt während heftiger Auseinandersetzungen mit der Versicherung des Unfallfahrers am Versagen der beim Unfall gequetschten Nieren (akute Zuckerkrankheit).
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weiterer biographischer Hinweis aus dem Booklet zur Veröffentlichung der Symphonie No. 3 in h-moll
Martin Scherber – Persönlich-Unpersönliches
„Nicht die Seele liebt Musik.
Die Seele ist Musik.
Alles Unmusikalische zerstört die Seele.”
Martin Scherber
Der Autor der vorliegenden Symphonie wurde 1907 in Nürnberg geboren. Nach frühen öffentlichen Auftritten als Pianist und Komponist studierte er an der Akademie der Tonkunst in München und war anschließend als Opernkapellmeister und Chordirektor in Aussig tätig. Später kehrte er als Freischaffender in die Meistersingerstadt zurück. Hier entstand sein musikalisches Lebenswerk – Lieder, Chöre, Klavierstücke und drei Anfang der siebziger Jahre veröffentlichte Symphonien.
Bereits in seiner Jugend erlebte er, dass die Musik ganz im Innern des Menschen geboren wird, keine Vorbilder in der Außenwelt hat. Daraus erwuchs – in einer Zeit, als im 20. Jahrhundert die musikalische Entwicklung ganz andere Wege einschlug – sein Lebensziel. Er wollte die Quelle, aus der die Musik mit ihren Gesetzmäßigkeiten fließt, ursprünglich finden.
Scherber war von Haus aus mit einer außergewöhnlichen technischen Begabung ausgestattet. Sein Vater, Erster Bassist im städtischen Opernorchester, wollte ihn Ingenieur werden lassen. Diese praktischen Fähigkeiten verinnerlichend bildete er seine Musikalität durch disziplinierte Erkenntnistätigkeit (Meditation) so um, dass es ihm gelang, an „Quellströme der Musik” heranzukommen. Neue Welten taten sich ihm auf. Ihm wurde klar, dass die aus dem Religiösen hervorgegangene europäische Musik über eine Zeitspanne der Individualisierung und Subjektivierung — wie sie in der Romantik gefühlsbetont und in der Moderne intellektuell und sensuell vollzogen wurde — durch meditative Arbeitsweise erweitert werden müsse. Es zeige sich dann, dass der Mensch durch bewußte innere Aktivitäten über seine Seele und seinen Geist mit einer objektiven seelisch-geistigen Umwelt im Kosmos zu verbinden sei. In dieser Welt befänden sich die Inspirationsquellen der Musik. Sie könnten mit zunehmender Reife immer differenzierter und individualisierter erlebt werden. Die dabei zu gewinnende Einsicht lasse die menschliche und musikalische Evolution, weil sie ins Innere von Mensch und Natur führe, in ganz neuem Licht erscheinen. Die durch naturwissenschaftlich-technische Geräte bedingte Verfeinerung der Wahrnehmungs- und Datenverarbeitungsmöglichkeiten und der Einsatz der daraus entwickelten Medien berge die Gefahr, das Menschliche aus der Musik zu verlieren. Mit meditativer „Seelentechnik” zu erringende Kunst helfe da weiter.
Nicht zu unrecht sprachen Zeitgenossen von der inneren Kraft und Wärme, die in der symphonischen Musik des Nürnbergers lebe. Dieser erfuhr auch von Edwin Fischer und Wilhelm Furtwängler hervorragende Beurteilungen seines Schaffens. Dass er im 20. Jahrhundert ein Einsamer bleiben musste, dürfte zeitbedingtes Schicksal in einer an dramatischen und tragischen Gegensätzen reichen Epoche gewesen sein.
Wer unbefangen die Sinfonien Scherbers auch „mit dem Herzen wahrnimmt”, wird spüren, dass die symphonische Entwicklung, wie sie über den taub werdenden, aber innerlich mit prometheischen Kräften „hörenden” Beethoven, wie sie über den seelisch sich „in die Himmel” weitenden Bruckner verläuft, ihre bewusste Fortführung findet.
Durch Entdeckung des angedeuteten künstlerischen Erkenntnisweges war es Martin Scherber möglich, die Symphonie bis in die Form hinein neu zu beleben und einen beseelt-durchgeistigten Organismus zu gestalten.
Der Komponist wollte die Symphonien erst nach seinem Tode herausgeben lassen. Wenige Wochen, nachdem Freunde auf die Idee kamen, diese anlässlich des Dürer-Jahres 1971 zu veröffentlichen, wurde Martin Scherber während eines Spaziergangs von einem betrunkenen Autofahrer überfahren.
Eine projektierte vierte Symphonie und eine Oper blieben ungeschrieben. Er starb Anfang 1974 an den Folgen des schweren Unfalls in der Dürer-Stadt Nürnberg.
Friedwart M. Kurras (2001)
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